piwik no script img

Archiv-Artikel

press-schlag Willkommen bei der Reiner-Calmund-Mitleids-Show

Nur fröhlich hereingetappt!

Nein, bitte, nicht weinen, wird schon alles gut, bald ist Frühling, auch in Leverkusen. Man möchte Reiner Calmund in den Arm nehmen und trösten. Ihn ins Bettchen bringen, noch einen Beruhigungstee zubereiten, damit sie ihn endlich in Ruhe lässt – diese böse, böse Abstiegsangst.

Na, erwischt? Reingetappt in die Gefühlsfalle?

Willkommen bei Calmunds Mitleids-Show!

Wie er am Samstagabend noch gackste: „Emotional betroffen … aufgewühlt … keine Entscheidung … Nacht drüber schlafen.“ Um am Sonntag dann die Trainerentlassung – wie erwartet – zu verkünden. Schade, der Goldene Bär war da schon vergeben! Warum nur will man nicht glauben, dass er Klaus Toppmöller genauso kalkuliert vor die Türe gesetzt hat wie die anderen neun Trainer in den 15 Jahren zuvor?

Es ist so: Die Figur Calmund verkörpert das romantische Moment in dieser so knallharten Fußballwelt. Sein Image: Der sympathische Verlierer, der „XXL-Manager“, der „positiv Bekloppte“ (Selbstauskunft), der Bemitleidenswerte. Derjenige, von dem man gern erzählt, wie er von Willibald Kremer entdeckt wurde, weil er bei einem Jugendspiel trotz strömendem Regen an der Seitenlinie ausharrte. Und über den die Süddeutsche ganz folkloristisch geschrieben hat: „Lieber mit Reiner Calmund trauern als mit Matthias Sammer feiern.“

Nein, so jemand kann nicht Schuld sein an sportlichen Niedergängen, Fehleinkäufen, missratenem Krisenmanagement. Die Rollen sind verteilt: „In dieser Situation ist der Hauptverantwortliche der Trainer“, hat Calmund festgestellt. Klar, denn wenn das nicht so wäre, müsste ja Calmund selbst entlassen werden. Geht aber nicht. Weil Calmund so groß wie Bayer Leverkusen ist – und niemand einen ganzen Verein entlassen kann. Der nationale Teamchef und Leverkusen-Liebhaber Rudi Völler pflichtete da bei: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen in Leverkusen gibt, der Calmund in Frage stellen würde – oder er sich selbst.“ Interessant ist dabei alleine Völlers Zusatz.

In München, wo Leverkusens Kontrahent vergangener Tage haust, hat Franz Beckenbauer versichert: „Benjamin Lauth hat seinen Vertrag bis 2006 verlängert, an dieses Gebot halten wir uns, da werden wir nicht eingreifen.“ Beckenbauer wünschte man, dass die Sechziger den Bayern schleunigst UN-Inspekteure auf den Hals hetzen. Calmund dagegen würde man so einen Satz zweifellos abnehmen. Na, schon wieder ertappt?

THILO KNOTT